Obstgarten

68 Jahre lang (1910 bis 1978) führte die AEF – bis 1929 als «Verband deutschschweizerischer Frauenvereine zur Hebung der Sittlich­keit, Sektion Aargau» und anschliessend bis 1947 als «Schweizerischer Verband Frauen­hilfe, Sektion Aargau» – die Mädchen­erziehungsanstalt Obstgarten in Rombach. Treibende Kraft im Verband war Emma Schmuziger-Dietrich, welche sich engagiert und charismatisch für den Frauen- und Kinderschutz einsetzte. 41 Jahre lang war sie Präsidentin des Vorstands.

Emma Schmuziger-Dietrich (1866–1954), Präsidentin des Schweizerischen Evangelischen Verbands Frauenhilfe, Sektion Aargau, 1909–1950, Gründerin des Obstgartens und deren Präsidentin von 1910 bis 1948

Emma Schmuziger-Dietrich (1866–1954), Präsidentin des Schweizerischen Evangelischen Verbands Frauenhilfe, Sektion Aargau, 1909–1950, Gründerin des Obstgartens und deren Präsidentin von 1910 bis 1948

Das Erziehungs­heim Obstgarten wurde für «sittlich geschädigte Schul­mädchen» geschaffen, «an denen sich andere vergangen haben, und die deshalb einer ganz speziellen Pflege und Erziehung bedurften, damit sie tüchtig würden fürs Leben». Die jungen Frauen sollten eine Chance erhalten, ein neues Leben zu beginnen. Der Obstgarten war das einzige schweizerische Heim dieser Art. Das Spannungs­verhältnis zwischen Hilfe und Kontrolle, Schutz und Repression, Bedürfnissen der jungen Frauen und gesellschaftlichen Normen prägte die damalige Heimerziehung.

Junge Frauen in der Küche des Obstgartens, Rombach, 1923

Junge Frauen in der Küche des Obstgartens, Rombach, 1923

Bis in die 1980er-Jahre gab es in der Schweiz die Praxis von so genannten «fürsorgerischen Zwangs­massnahmen und Fremd­platzierungen». Es galt nach der bürgerlichen Norm zu leben. Wer davon abwich, lief Gefahr staatliche Zwangs­massnahmen zu erleiden. Davon waren auch junge Frauen und Männer betroffen, die man verdingte oder in geschlossene Institutionen einwies. Solche oft leidvollen Erfahrungen bestimmten deren weiteren Lebenslauf. Im Rahmen des Bundesgesetzes über die Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangs­massnahmen und Fremd­platzierungen vor 1981 (AFZFG) können die damaligen Schülerinnen beim Bund ein Gesuch zur Wieder­gutmachung stellen. Der Solidaritäts­beitrag beträgt höchstens 25’000 Franken. Gesuche sind bei den zuständigen kantonalen Opferhilfestellen einzureichen.

Anfragen von ehemaligen Schülerinnen und deren Angehörigen für den Nachweis ihres Aufenthalts in der Mädchen­erziehungsanstalt Obstgarten beantworten wir gerne. Bis anhin konnten alle gestellten Anfragen anhand der vorhandenen archivierten Unterlagen beantwortet werden.

Titelbild des 48. Jahresberichts 1957 der Sektion Aargau des Schweizerischen Evangelischen Verbandes Frauenhilfe

Titelbild des 48. Jahresberichts 1957 der Sektion Aargau des Schweizerischen Evangelischen Verbandes Frauenhilfe

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