Erfolgreicher Anlass im Rahmen der Kampagne «16 Tage gegen Gewalt an Frauen»
Die Aargauische Evangelische Frauenhilfe, frauenaargau und die Reformierte Landeskirche Aargau luden am Montagabend, 2. Dezember, zu einer Lesung mit anschliessender Podiumsdiskussion ins Bullingerhaus Aarau ein. Im Zentrum stand die Auseinandersetzung mit einer Gesellschaft, die sexualisierte Gewalt häufig verharmlost und normalisiert. Die Veranstaltung stiess auf grosses Interesse: Die 110 verfügbaren Plätze waren schnell ausgebucht, mehr als 60 Interessierte mussten auf eine Warteliste gesetzt werden.
Regierungsrat fordert Bewusstseinswandel
In seinem Grusswort betonte Regierungsrat Dieter Egli die Dringlichkeit, sexualisierte Gewalt sichtbar zu machen und anzusprechen: «Wir müssen sexualisierte Gewalt thematisieren und ihr entgegenwirken. Frauen müssen sie aufzeigen, und Männer müssen sich ihrer Verantwortung stellen. Eine Gesellschaft, die schweigt oder Gewalt toleriert, ist keine freie Gesellschaft.»
Lesung: Agota Lavoyer räumt mit Mythen auf
Die renommierte Autorin und Expertin für sexualisierte Gewalt, Agota Lavoyer, las aus ihrem Buch «Jede_Frau». Mit einer eindringlichen Mischung aus Forschungsergebnissen, Statistiken und Praxisbeispielen aus Strafverfolgung, Medien und Popkultur legte sie die Mechanismen offen, die sexualisierte Gewalt in unserer Gesellschaft begünstigen. Sie räumte mit gängigen Mythen auf und machte deutlich: Sexualisierte Gewalt ist kein Einzelfall oder Missverständnis, sondern ein Ausdruck patriarchaler Strukturen, die unsere Gesellschaft noch immer prägen.
Podiumsdiskussion: Wege aus der Gewalt
In der anschliessenden Diskussion unter der Moderation von Helena Trachsel, Gleichstellungsexpertin, diskutierten Agota Lavoyer, Autorin und Expertin für sexualisierte Gewalt, Stefanie Birrer, Wen-Do-Trainerin und Fachfrau für Gewaltprävention, Anita Pfäffli, Leiterin der Beratungsstelle für sexuelle Belästigung, Claudia Wyss, Leiterin der Anlaufstelle gegen häusliche Gewalt Aargau und Mike Mottl, Geschäftsleiter und Männerberater beim mannebüro züri.
Die Diskussion verdeutlichte, dass es keine universellen Lösungen gibt. Stattdessen braucht es einen individuellen Ansatz, um betroffene Personen zu unterstützen. Wichtig sei, so die Expertinnen und Experten, Weiterbildungen für Fachpersonen auszubauen, um Retraumatisierungen und Täter-Opfer-Umkehr zu vermeiden. Zudem müsse Präventionsarbeit bereits in Schulen ansetzen, um stereotype Geschlechterrollen früh zu hinterfragen.
Ein zentraler Punkt war die Verantwortung der Täter: Gewaltausübende müssten ihre Handlungen reflektieren und professionelle Unterstützung suchen.
Die Notwendigkeit eines gesellschaftlichen Wandels
Anita Pfäffli von der Aargauischen Evangelischen Frauenhilfe hob die gesellschaftliche Relevanz des Anlasses hervor: «Das grosse Interesse zeigt, dass das Thema sexualisierte Gewalt viele Menschen beschäftigt. Wir müssen weiterhin darauf aufmerksam machen, sensibilisieren und über mögliche Wege aus der Gewalt sprechen.»
Die Realität ist ernüchternd: Ein grosser Teil aller Frauen und nicht-binären Menschen erlebt mindestens einmal in ihrem Leben Gewalt. Doch geschlechtsspezifische Gewalt bleibt häufig tabuisiert, und die Dunkelziffer übersteigt die polizeilich erfassten Fälle bei weitem. Betroffene werden oft nicht ernst genommen oder als Mitschuldige dargestellt, während Gewalt als «Beziehungsdrama» bagatellisiert wird.
Mit dem Anlass im Rahmen der Kampagne «16 Tage gegen Gewalt an Frauen» haben die Aargauische Evangelische Frauenhilfe, frauenaargau und die Reformierte Landeskirche Aargau ein starkes Zeichen gesetzt: Gewalt darf nicht toleriert werden – weder im Privaten noch in der Öffentlichkeit. Nur gemeinsam kann eine gewaltfreie Gesellschaft gestaltet werden.